Regulation

Regulation und Effizienz

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Vor allem Banken – aber nicht nur sie – leiden unter einer zunehmenden Regulierungsflut. In kurzen Abständen erscheinen neue Vorschriften, die mitunter wesentliche Geschäftsfelder völlig umgestalten. Wie viel Zeit bleibt einer Bank in dieser Situation sich tatsächlich um Kundenanliegen zu kümmern? Rücken deren tatsächliche Bedürfnisse für Banken zunehmend in den Hintergrund, wenn alle Energie zur Einhaltung neuer Regularien eingesetzt werden muss? Werden Banken und das Finanzsystem dadurch wirklich sicherer?

Die Regulatoren stehen vor einem Dilemma: Es ist nicht lange her, da wurde im Finanzbereich an vielen Stellen auf das Vertrauen zwischen Bank und Kunde abgestellt. Vertrauen ist überall dort nötig, wo offene Situationen vorliegen. Wo eine Partei etwas tun könnte, das der anderen schadet. Überall dort, wo nicht reguliert wurde, gab es offene Stellen, die durch gegenseitiges Vertrauen stabilisiert wurden. Vertrauen aber basiert auf der Beziehung zwischen Menschen. Das alles hat sich grundlegend geändert: Ein Teil der Finanzbranche hat diese offenen Situationen gezielt ausgenutzt. Beispielsweise in der Subprime-Krise und dem Einsatz von Konstruktionen wie CDOs, CDO2,… Die Folge war, dass Vertrauenssituationen (auch innerhalb von Banken) nicht länger stabil waren, sondern zu großen Verlusten und Bankkonkursen führten. Vor dieser Situation mussten die Regulatoren eingreifen, die Existenz offener Situationen, kombiniert mit Handeln ohne Verantwortung (fehlender Berufsethos, als informelle Regulationsebene) zu Instabilität führt (Abb. 1, Pfeil nach unten). Die offenen Stellen mussten also durch Regeln gefüllt werden, um ein neues Gleichgewicht zu erhalten (Abb. 1, Pfeil nach rechts). Das Resultat ist eine regulierte Situation, in der die Marktteilnehmer quasi Verantwortung an Regularien abgeben können, mit dem Argument, gesetzeskonform gehandelt zu haben. Der Fokus verschiebt sich von der Verantwortung gegenüber dem Kunden, Kollegen,… zur Verantwortung gegenüber dem Gesetzgeber.

Es gab zahlreiche Banken – und wahrscheinlich ist es die Mehrheit – die ihren Berufsethos beibehielten und sich gegenüber ihren Kunden stets verantwortungsvoll verhielten. Diese Banken sehen sich jetzt vor dem Problem zunehmender Regulation, ohne dass Rechtsstreitigkeiten oder Kundenverluste vorgekommen waren. Die Veränderung stellt sich für diese Banken wie in Abb. 2 dar. Trotz verantwortungsvollem Handeln werden offene Situationen reguliert (Pfeil nach rechts). Warum handelt es sich dabei um ein Ungleichgewicht? Weil sich der Fokus ändert. Der Regulator verlangt ganz bestimmte Formvorschriften, Kontrollmechanismen und Prozesse. Dadurch ändert sich der Fokus und die Ressourcenverteilung. Man fühlt sich durch die Präsenz der Regulation immer weniger dem Kunden und immer mehr dem Regulator verpflichtet und verantwortlich. Der Kunde – und somit die Verantwortung ihm gegenüber – rückt schrittweise aus dem Fokus.

Der Prozess läuft bereits, seit dem Beginn der Regulation. Er hat aber in den letzten Jahren einen sehr starken Schub bekommen. Der Prozess wird auch immer weiter fortschreiten, da sich immer neue offene Stellen finden, die es zu regulieren gilt. Die neuen Gleichgewichtssituationen finden sich stets auf einem höheren Regulationsniveau zusammen mit einem tieferen Niveau des Kundenvertrauens. Vielleicht wird das Banksystem dadurch wirklich sicherer – das lässt sich schwer vorhersehen – die Geschichte spricht eher dagegen. Was sich aber deutlich zeigt ist, dass die Instanz Vertrauen aus der Finanzwelt zunehmend verschwindet. Und dabei ist ein Thema von grundlegender Bedeutung: Das Vertrauen ist das Bindemittel des gesamten sozialen Gefüges – es „schmiert“ auch sämtliche wirtschaftliche Abläufe. Daher ist das Vertrauen im Finanzbereich ein wesentlicher „Effizienzmotor“. Das Dilemma der Regulatoren liegt also darin, sich zwischen Sicherheit und Effizienz entscheiden zu müssen. Vertrauen war – das hat die Geschichte der letzten 20 Jahre gezeigt – kein ausreichendes Bindemittel des sozialen Gefüges mehr. Daher musste die Gesetzgebung dieses Bindemittel ersetzen. Das ist wie gesagt keine neue Entwicklung – aber sie hat eben einen starken Schub erhalten.