Risiko
Too big to invest - Complexity
Während eines Fluges nach Singapur bin ich über den Artikel “Banks get too big for investors“[1] mit dem spannend-provokanten Eingangsstatement „Never mind that our largest banks are too big to be allowed to fail – they show every sign of being too big for investors“ gestolpert.
Welche Argumente gibt es für kleinere Banken? Bis dato sind zwei Argumente in den Artikeln auf dieser Seite diskutiert worden. Erstens, dass „too big to fail“ ineffiziente Anreize setzt und in letzter Konsequenz unfair dem Steuerzahler gegenüber ist. Zweitens etwas indirekter ein “moralisch-ethisches“ Argument von Max. In seiner Transparenz Diskussion argumentiert er für ein mehr an Unmittelbarkeit zwischen Kunden und Bank. In meiner Interpretation seines Arguments spricht das gegen Größe. Mit Größe geht zwangsläufig Unmittelbarkeit verloren, da sich die Bankführung durch die Managementebenen vom Kunden entfernt. Dieser Artikel soll die Diskussion um die Frage nach der Unternehmensgröße aus der Perspektive Komplexitätskosten vs. Größenvorteile erweitern.
Die Bankenwelt wird gerade durch die nächste Skandalwelle (Libor und Geldwäsche) aufgewirbelt. Die Auswirkungen des Libor Skandals sind kaum abschätzbar. Jeder Anleger - mit einem Schaden - dessen Produkte an den Libor gekoppelt sind, kann die beteiligten Banken verklagen. Erste Schätzungen gehen von einer Klagssumme von bis zu 20 Mrd. EUR aus. Viel Geld, selbst für ein Konsortium der größten Banken, besonders im derzeitigen Umfeld von schrumpfenden Gewinnen und steigenden Anforderungen (Basel III). Woher soll das Eigenkapital kommen?
James Saft argumentiert, dass die Großbanken nicht nur riskant und volatil, sondern auch schlecht geleitet sind und daher für Investoren nicht interessant sind. Er hinterfragt, ob Banken ab einer bestimmten Größe überhaupt noch steuerbar sind. “Complexity is the enemy of control and the biggest banks are fearsomely complex”. Was sagt es über die Komplexität eines Systems aus, wenn wie im Fall von JP Morgan Mitarbeiter (Händler) überhaupt auf die Idee kommen können, einen 8 Mrd. EUR Verlust zu verstecken? Gut geführte unterscheiden sich von den schlecht geführten Instituten unter Anderem in der Komplexität des Geschäftsmodells und der Organisation. Zwei konträre Beispiele sind für mich die Allianz Gruppe die das Thema “Reduce Complecity“ seit vielen Jahren in den strategischen Zielsetzungen hat und die Citi Group (vor dem Crash) deren Organigramm undurchschaubar war.
Ändern sich dadurch das Paradigma, dass „Economies of Scale and Scope“ ein entscheidender Wettbewerbsfaktor in der Finanzdienstleistungsindustrie sind? Sehen wir eine weitere Konzentration im Bankensektor oder gibt es ein Zurück zu “Small is beautiful“?
Global agierende Unternehmen bevorzugen globale Bankpartner und selbst im Privatkundenbereich sind Größenvorteile nicht wegzudiskutieren. Die Größenvorteile beruhen in den Fixkosten bei Investitionen und Spezialisierungsvorteilen. Auf der anderen Seite beobachte ich laufend bei den größten Banken Ineffizienzen von großem Ausmaß. Beispiele? Divergierende oder schlecht gesetzte Anreize die zur Verschwendung von Ressourcen führen, Projekte deren Erfolg aus politischen Gründen nicht gemessen werden, strategische Wenden die für kleine Segelschiffe durchführbar sind - aber die Organisationen hoffnungslos hinterher hinken lassen, unzählige Managementebene, lange Entscheidungswege, usw.
Themen die in kleinen, transparenten, schnellen (unternehmerisch) geführten Unternehmen nicht vorkommen könnten.
Ich denke, dass wir eine Zweiteilung sehen werden. Eine weitere Konzentration bei den global agierenden Unternehmen und gleichzeitig öffnen sich spannende Räume für neue kleine Finanzdienstleistungsinstitute. Die kleinen Institute können davon profitieren, dass die großen Konkurrenten die nächsten Jahre mit Anpassungen im Geschäftsmodell, Integrationen usw. mit sich selbst beschäftigt sind und wie von James Saft beschrieben nur schwer Investoren gewinnen können. Entscheidend ist die Haltung der Regulatoren. Sind mehr kleine Banken erwünscht? Wird der Marktzugang zu diesem Sektor erleichtert oder erschwert? Die neuen Richtlinien erzeugen de facto immer größere Markteintrittsbarrieren, da die Erfüllung der Anforderungen mit hohen und steigenden Fixkosten einhergeht.
Für die großen Institute ergeben sich spannende Fragen. Welches Geschäftsmodell, welche Aufbauorganisation und was für eine Kultur (!) ist notwendig um Investoren und Kunden zu überzeugen?
Kommentare
In der Schweiz werden die Eigenkapitalanforderungen an grosse Banken zukünftig restriktiver als an kleine. Das Too Big To Fail Gesetz von der Herbstsession 2011 enthält für die beiden Grossbanken CS und UBS bereits erhöhte Eigenkapitalanforderungen. Zugleich ist es möglich, im Krisenfall Teile von Grossbanken zu liquidieren (das Gesetz wurde am 15. Februar 2012 vom Bundesrat beschlossen und trat mit 1. März 2012 in Kraft).
Damit ist eine Richtung (zumindest in der Schweiz) vorgegeben: Volkswirtschaftliche Risiken die durch die Grösse von Instituten entstehen, werden aktiv berücksichtigt. Die Schweiz mit ihren vielen Kleinbanken ist aber diesbezüglich sicher ein Sonderfall.
Die Frage nach der optimalen Grösse von Banken war bisher insofern schwer sachlich zu beantworten, da aus Sicht der Marktteilnehmer (bzw. der Bankkunden) gross automatisch besser war: Mehr Sicherheit durch erwartbare Staatsgarantien, ein grösseres Produktportfolio, in der Regel ein höherer Spezialisierungsgrad in einzelnen Geschäftsbereichen. Die neuen regulatorischen Ansätze stellen die Sicherheit grosser Institute zunehmend in Frage. Skandale um Spekulationsverluste in Milliardenhöhe tragen zur Verunsicherung bei.
Zugleich fand in den letzten 15 - 20 Jahren ein Trend zur Amerikanisierung der Kundenberatung in der Schweiz statt. Die zuverlässige und solide Beratung schweizer Banken basierte auf dem Dreieck Kunde - Berater - Bank. Der Trend zu verkaufsorientierter Beratung brachte Eigeninteressen der Berater ins Spiel und Kundeninteressen rückten in den Hintergrund. Kleine Banken haben es durch ihre Flexibilität leichter auf Basis der traditionellen Beratungskultur neue Wege einzuschlagen, als grosse. Auch hinsichtlich der Unternehmenskultur haben es grosse Banken zunehmend schwer, da die Unterscheidungsmerkmale zwischen verkaufsorientierten Banken mit rein monetären Zielfunktionen - was bei Grossbanken der Regelfall ist - sehr gering sind. Es ergibt sich ein ähnliches Problem wie beim Waschmittelmarketing: ob OMO oder Persil - das Produkt unterscheidet sich kaum. Daher ist das Marketing gefragt, Unterscheidungsmerkmale zu definieren.
Für kleine Institute (es gibt in der Schweiz Banken mit weniger als 10 Angestellten) besteht die Herausforderung trotz in der Regel kleiner Produktpaletten und geringer Spezialisierung zu bestehen. Eine Untersuchung, welche Rolle dabei die Unternehmenskultur und die direkte und individuelle Kundenbeziehung spielt, wäre äusserst interessant.
Gestern in einem Orf Interview mit Robert Shiller...."
"Too big to fail" könnte in die Irre führen. Es kommt weniger auf die Größe des einzelnen Unternehmens an als auf die Größe des gesamten Bankensektors. In der Großen Depression der 1930er Jahre gingen in den USA Tausende kleine Banken ein, das Versagen war nicht konzentriert auf einige wenige große Fälle. Trotzdem hatten wir eine Weltwirtschaftskrise.
Es gibt ein Argument, um Finanz-Institutionen zu zerschlagen bzw. sie nicht zu groß werden zu lassen, sogar in den USA haben wir ein zugegebenermaßen schwaches Instrument, um die Größe einzelner Banken zu beschränken. Die Gesellschaft ist angenehmer, wenn sie nicht von wenigen großen Finanz-Institutionen dominiert wird. Anti-Trust-Einrichtungen müssen wir im Finanzwesen in Betracht ziehen. Ich glaube aber nicht, dass dies ganz alleine die Krise beenden würde. Wir können immer noch eine systemische Krise haben, an deren Ende eine Rettungsaktion für kleinere Banken stünde.."
Nach Ihm ist das Argument für kleinere Institute daher aus der Perspektive Einzelrisiko und Wettbewerbsstruktur/effizienter Markt relevant. Nicht jedoch für das ganze Thema Finanzkrise/Bankenkrise....da es sich dabei um ein systemisches Risiko handelt.