Transparenz
Wenn das Bankwesen durchsichtig wird
Wichtig ist aber auch, dass durch die Erfahrung, die wir durch die Wahrnehmung des Hoflebens machen, nicht wir selbst im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit stehen, sondern Bedürfnisse und Lebensweisen anderer in den Vordergrund treten. Oder anders ausgedrückt: die Abwesenheit dieser Erfahrung wirft uns auf uns selbst und unseren Egoismus zurück. Das soll heissen: im derzeitigen ökonomischen Mainstream haben wir gar keine Chance etwas anderes als uns selbst wahrzunehmen. Ständig gleichen wir Produkte, Erfahrungen und Eindrücke mit uns selbst ab: entspricht es unserem Geschmack? Kann ich es mir leisten? Selten treten Überlegungen in den Vordergrund, die nicht in meinem Egoismus begründet sind, weil die entsprechenden Erfahrungen fehlen. Damit soll garnicht gesagt werden, dass unser Egoismus böse, unmoralisch,... ist. Er ist eben Teil von uns. Durch die Abwesenheit anderer Erfahrungen als der unserer eigenen Bedürfnisse gibt es auch für das Marketing keine anderen wirksamen Ansätze, als auf den Konsumenten-Egoismus abzustellen. Die Supermärkte jeder Couleur schreien uns förmlich an: maximiere deinen Nutzen (Geiz ist geil,...)! Mit den Produkten werden auch die Kunden vertrieben – zu sich selbst vertrieben. So sind wir mit uns alleine – und stehen vor einem Spiegel, in dem nur unsere einfachen Bedürfnisse und Triebe erscheinen. Kein Ausweg.
Vielleicht ist das ja gesund, einmal so recht uns selbst zu sehen? Vielleicht ist es aber auch gesund darüber hinaus zu gehen und Kunden nicht zu vertreiben, sondern ihnen eine Erfahrung zu bieten, ein Stück Verbindung mit der ökonomischen Umwelt bereitzustellen? Eins ist klar: um Nostalgie kann es nicht gehen, und schon garnicht um eine Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft. Wie können die Errungenschaften unserer Gesellschaft dazu genutzt werden, einen neuen "Einblick in das was ist"[1] zu ermöglichen? Wie kann das insbesondere im Finanzwesen gelingen, bei dem die Problemlage gegenüber anderen Bereichen zusätzlich verschärft ist? Grundsätzlich gibt der Passivkunde einer klassischen Kreditbank sein Geld ab, wenn er es nicht braucht und holt es wieder, wenn er es braucht. Der Aktivkunde holt sich das Geld wenn er es braucht und gibt es zurück wenn er es nicht mehr braucht. Die Bank übernimmt die personelle und zeitliche Reallokation bzw. Fristentransformation sodass keine direkte Beziehung von einem Passivkunden zu einem Aktivkunden mehr nachvollziehbar ist (bei Konsumgütern ist diese Beziehung durchaus gegeben). Die Bank unterbricht bzw. anonymisiert also das ökonomische Beziehungsgeflecht - und wirft Aktiv- und Passivkunden auf sich selbst zurück.
Gesetzt den Fall, eine Bank wäre in der Lage, unter Beibehaltung der zentralen Bankfunktionen (Reallokation und Fristentransformation) eine Brücke zwischen Passiv- und Aktivkunden zu bauen: Was wären die Auswirkungen einer solchen Politik auf die Bank und ihre Kunden - und am Ende auf das Finanzwesen?
[1] Martin Heidegger: Einblick in das was ist, Bremer Vorträge 1949, GA 79 Bremer und Freiburger Vorträge, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2005